Tumorbehandlung mit dendritischen Zellen

Vanessa Vergenz

In der Humanmedizin ist die dendritische Zelltherapie zur Behandlung von Tumorerkrankungen schon länger bekannt. Seit 20 Jahren wird sie nun auch beim Pferd und seit 15 Jahren beim Hund und bei der Katze in der Tiermedizin eingesetzt.

Man kann sie im Anschluss an die chirurgische Entfernung eines Tumors entweder zur Vermeidung von Rezidiven oder zur Behandlung von zusätzlichen inoperablen Metastasen einsetzen. Wenn Lokalisation oder Größe des Tumors eine chirurgische Entfernung ausschließen, können Dendriten auch ohne vorherige OP angewendet werden.

 

Das Prinzip:

Dendritische Zellen sind Zellen des Immunsystems bei Mensch und Tier. Ihre Aufgabe im Körper ist die Erkennung von Infektionserregern oder Krebszellen.

Haben dendritische Zellen einen Eindringling oder eine entartete Tumorzelle erkannt, präsentieren sie den „Fremdling“ weiteren Zellen des Immunsystems, die sich dann um deren Bekämpfung kümmern.

Wenn nun dennoch ein Tumor im Körper entstanden ist, hat dieses Abwehrsystem versagt. Dies passiert vor allem dann, wenn der Tumor es geschafft hat, sich für das Immunsystem „unsichtbar“ zu machen. Die Abwehrzellen erkennen den Tumor nicht mehr als Feind und dieser kann sich ohne Gegenwehr weiter ausbreiten

 

Die Behandlung:

Bei der dendritischen Zelltherapie werden im entsprechenden Speziallabor aus dem eingesandten Vollblut des jeweiligen erkrankten Patienten dendritische Zellen gezüchtet. Dabei werden aus Monozyten die dendritischen Zellen durch Cytokine differenziert.

Diese im Labor gezüchteten „frischen“ dendritische Zellen sind vom Tumor im Körper noch nicht beeinflusst worden und können beim anschließenden Injizieren in die Tumorregion den Tumor erkennen und ihn so dem Immunsystem des Körpers sichtbar machen. Das Immunsystem kann dann seine Arbeit wieder aufnehmen und versuchen, den Tumor oder in andere Körperregionen abgewanderte Tumorzellen zu bekämpfen.

Im Normalfall beginnt die dendritische Therapie mit drei Behandlungen im Abstand von 4 Wochen. Nach dieser intensiveren Erstbehandlungsphase haben sich einmalige Wiederholungsinjektionen im Abstand von einem halben Jahr bewährt.

Für jede dieser Behandlungen muss erneut Blut ins Labor eingesandt werden, da die Dendriten nur ganz frisch wirksam sind und sich nicht aufbewahren lassen.

 

 

Vorstellung eines behandelten Patienten:

Labrador „Luke“, 12 Jahre, männlich

Luke wurde in unserer Praxis Anfang Juni 2015 vorgestellt. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich bereits ein etwa haselnussgroßer Tumor an der Innenseite der rechten Lefze gebildet. Außerdem war sein rechter Mandibularlymphknoten circa mandarinengroß.

Am 11.06.2015 entfernten wir den Tumor in der Lefze mittels Laser-Chirurgie und entnahmen gleichzeitig mit einer feinen Nadel Proben aus dem vergrößerten Lymphknoten.

Den entfernten Tumors sowie die Zellen aus dem Lymphknoten schickten wir zur pathologischen Untersuchung. Der Befund lautete „Malignes Melanom mit bereits erfolgter Metastasierung in den rechten Mandibularlymphknoten“. Ob der Bösartigkeit des Tumors und der Gefahr von Rezidiven oder weiteren Metastasen in anderen Organen oft nur wenige Wochen nach der OP, entschieden sich Lukes Besitzer für eine anschließende Behandlung mittels dendritischer Zellen.

Also nahmen wir Luke Blut ab und schickten dieses an ein Speziallabor zur Anzüchtung dentrischer Zellen aus körpereigenen Monozyten.

Neun Tage später nahmen wir die im Labor hergestellten Dendriten in Empfang und injizierten diese Luke mit einer feinen Nadel – einen Teil der Lösung an die OP-Stelle und den anderen Teil direkt in den vergrößerten Lymphknoten. Für Luke war dies nicht besonders schmerzhaft – er verhielt sich ganz brav.

Nach vier und nach acht Wochen wiederholten wir diesen Vorgang noch einmal.

Bereits nach der zweiten Dendriteninjektion fing Lukes vergrößerter Lymphknoten an zu schrumpfen, bis er wieder Normalgröße erreichte. An der operierten Stelle in der Maulschleimhaut ist kein neuer Tumor mehr entstanden. Luke ging es während der gesamten Behandlungszeit gut, er zeigte keinerlei Nebenwirkungen.

Im hohen Labradoralter von 15 Jahren starb Luke 3 Jahre später an altersbedingten Erkrankungen.

 

Natürlich ist auch die dendritische Zelltherapie kein Allheilmittel – bei bestimmten Tumorerkrankungen hat sie sich aber als sehr erfolgreich erwiesen. Wir haben sie mittlerweile auch bei weiteren Patienten angewandt.

Oftmals scheitert eine Durchführung des Behandlungsprozesses an den hohen Kosten der Herstellung der Dendriten im Labor. Mittlerweile übernehmen aber schon einige Tierkrankenkassen die Kosten in bestimmten Fällen.

 

 

Vanessa Vergenz

Studium der Veterinärmedizin an der Justus-Liebig-Universität Gießen von 1999 bis 2005. Danach ein Jahr als Anfangsassistenz in der Kleintierpraxis Dr. Dellwing in Mönchengladbach. Seit 2006 als Tierärztin in der Kleintierpraxis Dr. Hesse in Staufenberg tätig.

 

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