Erster molekularer Nachweis einer humanen Erkrankung durch das Tula-Hantavirus

 

Tulavirus bei der Feldmaus – ein vernachlässigter Erreger?

Insel Riems, 23.03.2021. Erstmalig wurde das Tulavirus molekularbiologisch als Ursache einer Hantaviruserkrankung bei einem deutschen Patienten festgestellt. In Deutschland kommen damit mindestens vier verschiedene humanpathogene Hantaviren bei unterschiedlichen Nagetieren vor. Zukünftig sollte deshalb eine genauere Virustypisierung bei Hantaviruserkrankungen erfolgen. Die gemeinsame Studie des Nationalen Konsiliarlabors für Hantaviren (Humanmedizin) der Charité – Universitätsmedizin Berlin, mit Kliniker*innen und Labormediziner*innen sowie dem Nationalen Referenzlabor für Hantaviren (Veterinärmedizin) am Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) wurde nun im Journal Emerging Infectious Diseases veröffentlicht.

Der junge Mann musste hospitalisiert werden und zeigte Symptome eines akuten Nierenversagens. Die serologischen Untersuchungen bestätigten den Verdacht einer Hantaviruserkrankung, erlaubten aber nicht die Identifikation des erkrankungsauslösenden Virus. Eine anschließende molekulare Analyse durch das Konsiliarlabor für Hantaviren der Charité führte zum erstmaligen molekularen Nachweis einer Tulavirusinfektion bei einem Patienten in Deutschland. Die erhaltene Genomsequenz des Virus besaß in einer vergleichenden phylogenetischen Analyse am FLI die größte Ähnlichkeit zu Tulavirus-Sequenzen aus Feldmäusen. „Dieses Ergebnis rückt nun auch die Feldmaus und das mit ihr assoziierte Tulavirus stärker in den Fokus der Hantavirus-Epidemiologie und erfordert zukünftig eine bessere Typisierung von Hantaviruserkrankungen.“, so Prof. Dr. Rainer Ulrich, Leiter des Nationalen Referenzlabors für Hantaviren bei Tieren am FLI.

Die Ergebnisse dieser Studie belegen erneut die Notwendigkeit der engen Zusammenarbeit von Human- und Veterinärmedizin im Rahmen des One Health-Konzeptes. Gemeinsame Folgeuntersuchungen mit dem Julius Kühn-Institut sollen die Verbreitung des Tulavirus im Reservoir Feldmaus und anderen Wühlmäusen genauer charakterisieren. Diese Untersuchungen sollen auch weitere Erreger berücksichtigen – wie z.B. die ebenfalls in der Feldmaus nachgewiesenen Zoonoseerreger Leptospiren und Kuhpockenvirus. „Gerade wegen der bei der Feldmaus auftretenden Massenvermehrungen sollte das Auftreten von humanen Infektionen mit Tulavirus stärker beobachtet werden.“, betont Prof. Dr. Ulrich.

Die Untersuchungen fanden im Rahmen des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Zoonoseverbundes „RoBoPub“ (Rodent-Borne-Pathogens-and-Public-Health: Verbesserung der öffentlichen Gesundheit durch ein besseres Verständnis der Epidemiologie nagetierübertragener Krankheiten) statt, der sich mit durch Hantaviren und Leptospiren verursachte Erkrankungen beschäftigt.

 

Hintergrundinformationen:

In Deutschland kommen mindestens vier von Nagetieren übertragene humanpathogene Hantaviren vor. Die Mehrzahl der in bestimmten Jahren gehäuften Zahl humaner Erkrankungen wird auf das Puumalavirus zurückgeführt, mit der Rötelmaus als Reservoirwirt. Das Puumalavirus kommt nur im westlichen, nordwestlichen und südlichen Teil Deutschlands vor, während es im östlichen Teil Deutschlands nicht gefunden wurde. Das mit dem Puumalavirus eng verwandte Tulavirus kommt dagegen in allen Teilen Deutschlands vor. Der Hauptreservoirwirt des Tulavirus ist die Feldmaus, ein bedeutender Schädling in Land- und Forstwirtschaft, der wie die Rötelmaus Massenvermehrungszyklen zeigt. Eine Antikörper-basierte Unterscheidung von Puumalavirus- und Tulavirusinfektionen würde einen aufwändigen Neutralisationstest erfordern, der nur in Speziallaboratorien und retrospektiv durchgeführt werden kann. Die gegenwärtig verwendeten serologischen Nachweisverfahren erlauben diese Unterscheidung wegen der starken antigenischen Verwandtschaft beider Viren nicht. Daneben sind im östlichen Teil Deutschlands durch das Dobrava-Belgrad-Virus hervorgerufene Erkrankungen beschrieben worden; diese geografische Verteilung wird durch das Verbreitungsgebiet des Reservoirwirts dieses Virus, der Brandmaus, verursacht. Zudem wurde kürzlich das Seoulvirus erstmalig in einer Heimratte einer Patientin in Deutschland molekular nachgewiesen. Die beiden letztgenannten Hantaviren sind ebenfalls antigenisch eng verwandt, aber unterscheiden sich stärker von der Puumalavirus/Tulavirus-Gruppe.

 

Weiterführende Informationen zu Hantaviren finden Sie hier:

Steckbrief zu Hantavirus-Infektionen (PDF, nicht barrierefrei)
Hantavirus-Informationsblatt (PDF, nicht barrierefrei)
FAQ Hantavirus-Erkrankungen (PDF, barrierefrei)

 

Studie
„Tula hantavirus as the causative agent of hantavirus disease in an immunocompetent person, Germany“
Emerging Infectious Diseases (EID)
DOI : 10.3201/eid2704.203996

 

Kontakt
Prof. Dr. Rainer G. Ulrich
Leiter des Nationalen Referenzlabors für Hantaviren bei Tieren des FLI
Telefon: 038351 7-1244
Mail: presse@fli.de

 

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